Studien zu Vorgeschichte, Wirkung und Folgen der Verleihung des Stadtrechts durch König Friedrich II. am 14. September 1219
Beiträge zur Geschichte des Trifels und des Mittelalters, 6
Rezensent(in): Fouquet Gerhard
Erscheinungsjahr: 2019
Autor(en): Thon Alexander
Erscheinungsort: Annweiler am Trifels
Feste werden gefeiert, wie sie fallen. Und so gedachte man in Annweiler gleich zweimal mit ansprechenden Bänden der Stadtrechtsverleihung von 1219. Der hier zu besprechende Band mit Beiträgen pfälzischer bzw. der Pfalz und ihrer Geschichte eng verbundener Landeshistoriker und Archivare findet seinen zeitlichen und inhaltlichen Schwerpunkt durchaus im Umkreis des königlichen Privilegs von 1219, aber weitet die Perspektive gerade in den Beiträgen von Rolf ÜBEL, Günter FREY und Andreas IMHOFF in einzelnen Aspekten doch auf die Stadt- und die mit ihr verbundene Territorialgeschichte vornehmlich des Herzogtums Pfalz-Zweibücken bis zum Ende des Alten Reiches aus.
Doch der Reihe nach: Nach dem Vorwort des Herausgebers Alexander THON, das schon einen gewichteten Überblick über die in den Beiträgen des Bandes angesprochenen Themen enthält, setzt THON mit dem lateinischen Wortlaut und der kommentierten deutschen Übersetzung des Stadtrechtsprivilegs Friedrichs II. einen Anfangspunkt, zu dem man beim Lesen der weiteren Studien gerne immer wieder zurückblättert. Es sei nur angemerkt, dass die Erklärung der Freilassung von Frauen aus der Hörigkeit, die die Heirat mit Landauer Bürgern eingingen (S. 27) in Gerold BÖNNENS überarbeitetem Beitrag von 1988 über die Stadterhebung Annweilers griffiger erklärt wird. BÖNNEN hat die enorme Sogwirkung der städtischen Freiheit im Falle der weiblichen Ausheirat wie der Vogtfreiheit nach Jahr und Tag des Eintritts in den Bürgerverband, in das „consortium civilitatis“, auf die umliegenden grundherrlichen Verbände klar markiert (S. 67), ebenso wie er schlüssig die übrigen 1219 privilegierten Einzelrechte des Speyerer Stadtrechts, die Befreiung von Hauptrecht und Buteil als wesentliche persönlichen Freiheitsrechte, die Zollfreiheit, das Asylrecht, das Münzrecht und die Markierung der physischen Grenzen des Stadtrechts, im Zusammenhang mit der südwestdeutschen Stadtgeschichtsentwicklung um 1200 analysiert. Doch man wird bei der Einordnung des Privilegs in die Geschichte der Reichsstädte aufpassen müssen. Friedrich II. gewährte der „villa“ Annweiler Speyerer Recht, aber keine Reichsfreiheit wie etwa Nürnberg oder Lübeck, er machte Annweiler mithin nicht zu einer seiner Königs- oder Reichsstädte. Auch hing der Status des Krongutes noch in dem sogenannten Reichssteuerverzeichnis von 1241/42 an dem „officium in Drivels“, mithin an dem 1242 auch schriftlich bezeugten Burggrafenamt auf dem Trifels. Dass hier wie manch anderes im Laufe der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Verhältnis von König und Reich, von staufischem Haus- und Krongut in eins ging, steht auf einem anderen Blatt. Beim Blick auf 1219 handelt es sich aber bei dem stets sehr sprunghaften und je nach politischer Opportunität sich ändernden Umgang Friedrichs II. mit Städten und ihren den städtischen Raum ordnenden Gremien bis hin zu verfassten Stadträten um die Privilegierung einer „villa“ auf staufischem Hausgut, die während der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Tausch mit dem Straßburger Bischof gegen Morsbronn-les-Bains erworben worden war. – Martin ARMGART wies die Datierung dieser Erwerbung in seinem erfrischend nahezu die gesamte Literatur zur sogenannten Frühgeschichte Annweilers in Frage stellenden Beitrag einsichtig nach. Und so wird man auch noch einmal über die Geschichte der Pfarrei in Annweiler nachzudenken haben. Denn es gab weder eine Schenkung an das Kloster Hornbach mit der Erwähnung Annweilers im Jahre 1086 (resp. 1006) noch die Weihe einer dortigen Pfarrkirche im Jahre 1153 – allesamt Kopfgeburten der Landeskunde des 18. bis zum 20. Jahrhundert, wie ARMGART ebenfalls zeigte. Der Urkundentext von 1219 ist auch so offen formuliert, dass man durchaus eine kurz zuvor durch den anwesenden Speyerer Bischof KONRAD VON SCHARFENBERG fundierte Pfarrei plausibel machen könnte, deren Pfarr- und Fabrikgut Friedrich II. mit den Zehnterträgen „totius predii nostri prefate ville“ – das schließt andere Zehntinhaber nicht unbedingt aus – reichlich ausstattete, damit der Inhaber der Pfarrei nicht einen schlecht bezahlten Mietling den Gottesdienst verrichten lasse, denn das Fundationsgut war zugleich in ähnlicher Weise wie im Heinrichprivileg für Speyer 1111 als Seelgerätstiftung gedacht. Und Friedrich II. wünschte, dass seinem Todestag „durch würdige Messfeiern“, die der Pfarrer vor den Bürgern zelebrieren sollte, gedacht werde. – Die Biographie und die Persönlichkeit des in den letzten Jahrzehnten nach Kantorowicz‘ überbordender Hochgestimmtheit entzauberten Stauferkaisers drängt Klaus F. JOHANNES in seinem Beitrag gekonnt mit ungeheurem Quellen- und Literaturaufwand auf wenige Seiten zusammen. Neben den bekannten Fürstenprivilegien mit ihren städtefeindlichen Tendenzen hätte noch das spannungsreiche, etwa sich in den schweren Konflikten mit und in Worms manifestierende Verhältnis Friedrichs und seines Sohnes Heinrich mit den Städten nördlich der Alpen erwähnt werden können. – Rolf ÜBELS Beitrag über die Entwicklungsgeschichte von Annweilers städtischer Freiheit, die 1219 noch Freiheit der „happy few“ vornehmlich aus Ministerialität und Zensualität meinte, sich vermutlich im Laufe des 13. und frühen 14. Jahrhunderts in der Gemeinde verbreiterte und sich 1330 mit den Ansprüchen der mächtigen Pfalzgrafen, die sich aus ihrer Pfandschaft ergaben bzw. die sie usurpierten, zu messen hatte, führt die Geschichte der Stadt bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als hartnäckigen, aber aussichtslosen Kampf gegen die Pfalzgrafen, seit 1410 gegen die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken vor. Die Konflikte kulminierten zwischen 1501 und 1519 sogar in militärischen Auseinandersetzungen und endeten mit der Niederlage der Stadt in dem Oktroi des Herrschaftsvertrags vom Februar 1519, der Quasi-Einordnung Annweilers in das pfalz-zweibrückische Territorium. Daran mochte die Privilegienbestätigung durch Kaiser Karl V. im Jahre 1521 nichts zu ändern. Bei der Erörterung der Zollfreiheit stellte Rolf ÜBEL die über Jahrhunderte währende enge und daher konfliktreiche wirtschaftliche Kooperation zwischen Annweiler und dem als regionalem Markt zentralen, 1511 im Gegensatz zu Annweiler seine reichsstädtische Libertät wiedererlangenden Landau heraus. – Günter FREYS gleichfalls überarbeiteter Beitrag von 2012 führt die Lesenden in beharrlicher Kärrnerarbeit an den schriftlichen Quellen und den wenigen materiellen Überresten über die Tortürme und die beachtliche Mauer (mit dem abgebildeten Schwibbogen über den Mühlbach) zu den verschiedenen Toranlagen, den Stadttürmen und dem Stadtgraben. Typisch, dass die Verteidigungsanlagen seit 1806 auf Abbruch versteigert und weitgehend abgetragen wurden. Zuvor gehörte es zur Notwendigkeit wie zur Wahrnehmung von Stadt, dass die städtische Freiheit verteidigt wurde. Aber je mehr von dieser Freiheit die frühneuzeitliche Staatlichkeit aufsaugte, desto mehr verfiel auch die Wehrfähigkeit, und es schwand die Notwendigkeit der Anpassung der Befestigungsanlagen an die sich entwickelnde Waffentechnik. – Andreas IMHOFF beschäftigt sich in seinem Beitrag mit den für die Frühe Neuzeit überlieferten Diensteiden städtischer Funktionsträger (Stadtschreiber, Zinsschreiber, Wachtmeister, Hebammen etc.) im Vergleich zwischen Annweiler und Landau, und Günter FREY erzählt aus eigenem Erleben zum guten Schluss, wie die Stadtrechtsurkunde von 1219 in den Wirren am Ende des Zweiten Weltkriegs im Keller des Trifels verloren ging und wie sie im Februar 1991 auf kuriosen Wegen wieder nach Annweiler zurückkehrte.
Gerhard Fouquet
Gerhard Fouquet, Rez. Von Alexander Thon (Hg.), 800 Jahre Stadtrecht für Annweiler. Studien zu Vorgeschichte, Wirkung und Folgen der Verleihung des Stadtrechts durch König Friedrich II. am 14. September 1219, (= Beiträge zur Geschichte des Trifels und des Mittelalters 6), Annweiler am Trifels 2019, URL: https://www.hist-verein-pfalz.de/de/rezensionen/7/wid,1134/rezensionen.html