Die Epoche der Spätantike wird von der aktuellen Forschung anders bewertet als noch vor wenigen Jahren: Die in der breiteren Öffentlichkeit noch sehr präsenten Dekadenzszenarien („Niedergang des Römischen Reiches“) sind dabei einer deutlich differenzierteren Betrach-tungsweise gewichen. Das Modell eines „Clash of Cultures“ zwischen ‚Römern‘ und ‚Barba-ren‘ wurde ebenso in Frage gestellt wie die Vorstellung wandernder, fest gefügter Groß-Völker, die in der ‚Völkerwanderungszeit‘ das Imperium Romanum von außen zertrümmert hätten. Vielmehr werden heute Modelle diskutiert, die von fließenden Übergängen und kul-turellen Hybridisierungen ausgehen. So stellte sich z.B. heraus, dass vermeintliche histori-sche Zäsuren wie der große Barbaren-Einfall von 406/07 in ihren Auswirkungen wohl über-schätzt wurden. Der damit in Verbindunggebrachte einschneidende Bruch wird nun zuneh-mend relativiert und durch Szenarien einer zumindest gebrochenen Kontinuität ersetzt. Al-lerdings sind diese neuen Erklärungen bislang in der breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt.
Die Pfalz ist ein ideales Gebiet, um an einem regionalen Beispiel neue Erkenntnisse zu der Epoche der Spätantike zu diskutieren. Durch jahrzehntelange archäologische Arbeiten ist der Forschungsstand vergleichsweise gut, außerdem gibt es zahlreiche, teilweise spektakuläre Neufunde. Als personaler Anknüpfungspunkt bietet sich Kaiser Valentinian I. (reg. 364-375) an, der den größten Teil seiner Regierungszeit in Nordgallien verbracht hat. In den Sommer-monaten kam er regelmäßig aus seiner Residenz in Trier an Rhein, um militärische Aktionen gegen die Alamannen zu leiten und initiierte ein großes Befestigungsprogramm, welches sich auch archäologisch gut fassen lässt. Seine Anwesenheit und seine Handlungen an mehreren Orten in der Pfalz (Altrip, Speyer, Worms, Alzey) sind durch ausführlicheBeschreibungen antiker Autoren wie Ammianus Marcellinus, Symmachus und Ausonius explizit bezeugt, wo-raus sich wiederum eine reizvolle Kontrastierung mit den archäologischen Befunden ergibt. Dadurch ist das dritte Viertel des 4. Jhs. die am besten beleuchtete Epoche in der antiken und frühmittelalterlichen Geschichte der Region.
Die Vielzahl an literarischen und archäologischen Quellen ermöglicht es, in der Tagung zahl-reiche unterschiedliche Themen zu beleuchten. Als chronologischer Rahmen wurde der Zeit-raum von der Mitte 4. –Mitte 5. Jh. bzw. genauer von 350 bis 461 –von der Usurpation des Magnentius (‚Magnentiuswirren‘) bis zum (faktischen) Ende der röm. Herrschaft am Rhein festgelegt.
Die Tagung ergänzt damit inhaltlich und chronologisch die Ausstellung „Kaiser Valentinian I. und der Pfalz in der Spätantike“, die ab dem 16.9.2018 im Historischen Museum der Pfalz zu sehen sein wird und zu der ein Begleitband erscheint, in dem die Themen vertiefend darge-stellt werden.