Der Aufbau der Trinkwasserversorgung in der Pfalz im 19. und 20. Jahrhundert
Rezensent(in): Übel Rolf
Erscheinungsjahr: 2022
Autor(en): Bruckert Harald
Erscheinungsort: Kaiserslautern
„Die Trinkwasserversorgung gehört zusammen mit der Energieversorgung zu den unmittelbaren Bestandteilen der Infrastruktur, von denen nicht nur das Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft, sondern in letzter Konsequenz unser physisches Überleben abhängt“, schreibt der Autor in seinem Vorwort. Und – so könnte man fortführen –, sie gehört zu den wenig hinterfragten Selbstverständlichkeiten des Lebens in unserer Hemisphäre. Erst die Fragen zum Klimawandel und zur Zukunft der Wasserversorgung haben den Blick geweitet. Viele Menschen werden sich bewusst darüber, dass es diese „Selbstverständlichkeit“ zum einen nicht immer gegeben hat, und zum anderen nicht auf Ewigkeiten einzementiert ist. In diesem Zusammenhang kann ein Rückblick darauf hilfreich sein, wie die Wasserversorgung in früheren Zeiten aufgebaut war und welche Mühen das Gemeinwesen hatte, diese Versorgung sicherzustellen.
Harald Bruckert hat sich in diesem Buch dieser Aufgabe gestellt – als Erster in einem größeren Zusammenhang. Wie er in seinem Vorwort schreibt, liegen Untersuchungen über die Stromversorgung sowie über die Gasversorgung von Karl-Heinz Rothenberger schon vor („Strom für alle“, 1991, und „Geschichte der pfälzischen Gasindustrie“, 1996). Aber es fehlte bislang eine Untersuchung über die Trinkwasserversorgung der Pfalz.
Die Forschung zu diesem Thema ist auch schwieriger: Strom und Gas sind relativ junge Energieträger, und sie waren auch zur Zeit ihrer Einführung keine Lebensnotwendigkeiten, Wasser hingegen war dies schon immer – am Anfang durch Quellen und Fließgewässer. Aber schon in der Antike gab es zumindest bei den Hochkulturen eine Trinkwasserversorgung in der einen oder anderen Form. Somit ist der Zeitrahmen der Untersuchung ungleich länger als der für die Strom- und Gasversorgung. Und die Methodik ist auch schwieriger, da eine zentrale Regelung der Wasserversorgung erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts langsam eingeführt wurde und zuvor die Bereitstellung von Trinkwasser Aufgaben der Städte und Dörfer war. Erst mit der Gründung des Technischen Bayerischen Landesamtes für Wasserversorgung 1878 wurde im bayerischen Innenministerium eine Behörde geschaffen, die sich dieser Aufgabe widmete und die 1908 zu einer selbständigen Landesbehörde erhoben wurde. So gibt es wohl diese Überlieferung, da die Landesbehörde die Zentralinstanz für die Wasserversorgung war, aber die Installierung der Wasserversorgung blieb weiterhin eine Aufgabe der Städte und Kommunen, so dass in den Stadt- und Kommunalarchiven die meisten Unterlagen zu finden sind, um das Thema zu bearbeiten. Wenngleich Bruckert darauf hinweist, dass in vielen Stadtgeschichten und Ortschroniken sowie in Festschriften der Wasserwerke und Energieversorger Abhandlungen zum Thema zu finden sind, so war doch in großem Umfang Archivarbeit in den entsprechenden Archiven zu leisten.
Es wäre vermessen zu fordern, dass der Autor über alle städtischen und kommunalen Wasserversorgungseinrichtungen im Detail berichtet. Er musste eine Auswahl treffen, die aber exemplarisch ist für das, was in anderen Regionen in ähnlicher Form durchgeführt wurde. Wenn er das Prinzip des pars pro toto anwendet, so hat das seine Berechtigung, denn anders wäre das Thema nicht beherrschbar gewesen.
Im 1. Kapitel beschreibt Bruckert die Trinkwasserbeschaffung von der Antike bis ins 19. Jahrhundert im Überblick und geht auf die verschiedenen Formen der Versorgung ein: vom Entnehmen des Wassers aus den Fließgewässern oder von Quellen bis hin zu den ausgeklügelten und technisch aufwändigen Aquädukten der Römerzeit und zu den wenigen Städten, die im Mittelalter über eine Vorform der zentralen Wasserversorgung mit Deichelleitungen verfügten.
Im 2. Kapitel zeigt er an pfälzischen Beispielen die antike Wasserversorgung etwa für die römische Provinzhauptstadt Mainz und für die römische Villa in Wachenheim auf, die allerdings das Ende der Antike nicht überdauerten. Im Mittelalter steht die Wasserversorgung der Städte wie auch der Burgen und Klöster im Fokus. An Beispielen wie dem Trifels oder der Burg Neuscharfeneck geht er auf die Möglichkeiten der Burgherren ein: Zisternen, Tiefbrunnen oder auch Quellwasserleitungen. In den Städten sieht er im 17. und 18. Jahrhundert eine Tendenz, die Tiefbrunnen oder Fließgewässer mit Laufbrunnen zu ergänzen, die mit teils über größere Strecken verlegte Quellwasserleitungen versorgt wurden. Neben größeren Städten wie Kaiserslautern und Neustadt hatten auch kleinere wie Bergzabern und Dürkheim Quellwasserleitungen, die öffentliche Laufbrunnen versorgten. Landau verfügte als Festungsstadt über 100 Grundwasserbrunnen, aber auch über zwei Festungswasserleitungen, deren Wasser über Deichelleitungen einzelne Festungsgebäude versorgten – und natürlich nutzten die Bürger auch das Wasser der Queich. Die Veränderungen und Verbesserungen der Wasserversorgung geschahen aber auf die Initiative der Stadt- oder Dorfbewohner, seltener auf die der Stadt- oder Landesherren, was der herrschaftlichen Zersplitterung der Pfalz geschuldet war.
Im 3. Kapitel beschreibt der Autor den Versuch, eine Koordination der Wasserversorgung durch die französischen Behörden zu etablieren. „Nach 1800 begann eine Phase der Konsolidierung, in deren Verlauf zahlreiche Brunnenleitungen und Brunnen im Département [Donnersberg, A.d.V.] erneuert und auch neue Brunnen gebaut wurden.“ Bruckert nennt Fallbeispiele, etwa Grünstadt, Wachenheim und Edenkoben.
Bei der Beschreibung des Zustands der Wasserversorgung in der seit 1816 bayerischen Pfalz stützt sich der Autor auf die Sonderberichte der bayerischen Kantonsärzte über die gesundheitliche Versorgung der Landbevölkerung von 1861, die auch auf die Trinkwasserversorgung eingehen. Bruckert berichtet über die Ergebnisse der Untersuchungen und kommt zu folgendem Ergebnis: „Insgesamt zeichnen die Berichte der pfälzischen Kantonsärzte das Bild einer traditionellen Trinkwasserversorgung, die im Wesentlichen noch immer derjenigen der vorangegangenen Jahrhunderte entsprach.“ Und diese sahen die Ärzte zum Teil als unzureichend an: „Noch ausgeprägter waren die regionalen Unterschiede im Bereich der Hygiene, die in allen Berichten zur Sprache kommen. Die pfälzischen Bezirksärzte besaßen durchweg ein ausgeprägtes Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von sauberem Wasser und der Vermeidung epidemischer Krankheiten. Die wachsende Sensibilität für die Problematik sorgte in Verbindung mit der Zunahme der Bevölkerungszahlen dafür, dass die traditionellen Wasserversorgungseinrichtungen in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr durch eine zentrale öffentliche Wasserversorgung mit Hausanschlüssen ersetzt wurden.“
Eine Vorreiterrolle für diese Entwicklung übernahm Neustadt mit der Installierung einer zentralen Wasserversorgung in den Jahren 1868/69. Ausführlich beschreibt Bruckert in Kapitel 4 deren Bau von den ersten Planungen an und geht auch auf die Anfänge einer Abwasserversorgung ein, die damals alles andere als selbstverständlich war.
„Neustadt, der Pionier der modernen Trinkwasserversorgung in der Pfalz, fand bald Nachahmer. Bis zum Kriegsausbruch 1914 entstanden in sämtlichen Städten der Pfalz moderne Trinkwasserversorgungsanlagen, von Ludwigshafen, das als größte Stadt im Regierungsbezirk 1910 mehr als 83 000 Einwohner zählte, bis zu dem kleinen nordpfälzischen Landstädtchen Wolfstein mit gut 1000 Einwohnern.“ Diese Entwicklung beschreibt der Autor im 5. Kapitel. Speyer, Bergzabern, Edenkoben, Ludwigshafen, Deidesheim und Lauerecken stellt er eingehender vor. Der Autor wirft auch einen Blick auf die Entwicklung in der Fläche, die den Städten hinterherhinkt. Er verschweigt aber auch nicht, dass nicht überall und bei jedem sogleich eine Begeisterung für die neuen technischen Möglichkeiten ausbrach, sondern dass vor allem Anrainer an Fließgewässern und Eigentümer von Quellen und Brunnen sich gegen einen Anschluss verweigerten, der ihnen zu teuer erschien. Hier war einige Überzeugungsarbeit zu leisten.
Kapitel 6 beschreibt ausführlich die Anlage der Landauer zentralen Wasserversorgung von den Anfängen im späten 19. Jahrhundert bis in unsere Tage.
Bruckert kommentiert die Entwicklung: „Die moderne Trinkwasserversorgung begann nach der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Städten und drang in einem über mehrere Jahrzehnte dauernden Prozess auf das flache Land vor. Parallel dazu wurde die Trinkwasserversorgung mehr und mehr von einer privaten zu einer öffentlichen Angelegenheit.“ Diese Entwicklung hatte 1878 begonnen und gipfelte „in der Schaffung eines umfassenden gesetzlichen Rahmens in Form des Bayerischen Wassergesetzes von 1907“. Die Behörden versuchten auch, die Zusammenarbeit von Städten und Kommunen mit privaten Firmen zu koordinieren und übten auch eine technische Aufsicht aus. Wichtig hierzu war das 1916 geschaffene „Bayerische Landesamt für Wasserversorgung“, das mit den Behörden vor Ort, vor allem den Bezirksämtern kooperierte.
Im 8. Kapitel wird die Anlage der Wasserversorgung in Kirchheimbolanden und Rockenhausen beschrieben, im 9. der Ausbau der Trinkwasserversorgung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Hier geht der Autor ausführlich auf die in der Vorderpfalz gebildeten Wasserversorgungsgruppen ein, die ab den 1920er und 1930er Jahren entstanden und teilweise noch bis heute Bestand haben. Diese Zusammenschlüsse wurden geboren aus der Notwendigkeit, gemeinsame Quellen, Hochbehälter und Rohrleitungen für die Gemeinden zu bauen, die nicht über genügend eigenes Wasser verfügten. Exemplarisch wird die Friedelsheimer Gruppe vorgestellt.
Ein Unterkapitel stellt die verschiedenen Wassertürme als Objekte der Kunstgeschichte vor, da sie landschaftsprägend in verschiedenen Stilrichtungen wie Historismus oder Neue Sachlichkeit gebaut wurden.
Wie schon zu Beginn der Installierung der Zentralen Wasserversorgung zeigten sich auch am Ende Widerstände. So dauerte es bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg, bis die Maßnahme als abgeschlossen gelten konnte. Die Steinfelder Gruppe war 1959 die letzte zentrale Versorgungseinrichtung, die die Gemeinden Steinfeld, Kapsweyer, Schweighofen und Niederotterbach versorgte.
In dem 10. und letzten Kapitel geht der Autor auf die Anfänge der modernen Abwasserbeseitigung ein.
Harald Bruckert hat sich mit seinem Thema einer schwierigen Aufgabe gestellt, gemessen an der Länge des Bearbeitungszeitraums, der Größe der Pfalz mit ihren 600 Dörfern und Städten, der Fülle der Quellen und der Menge der – oft entlegenen – Literatur. Hinzu kommen noch die Besonderheiten der Regionen sowie der Städte und Dörfer, von denen viele einen eigenen Weg gingen. Und auch das weitgehende Fehlen von Zentralinstanzen machte die Recherche nicht einfacher.
Der methodische Weg, den er gewählt hat, war der, an vielen Einzelbeispielen die konkrete administrative und technische Umsetzung zu erläutern, aber den Blick auf die allgemeine Entwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. So beschreibt er schon für die Römerzeit die technischen Möglichkeiten der Wasserversorgung, nimmt aber dann Einzelbeispiele wie Städte oder villae rusticae in den Blick. Auch für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit geht er diesen Weg. Erst mit der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Installierung von zentralen Behörden zur Koordinierung der Durchführung der Wasserversorgung kann er auf übergreifendes, vor allem auch statistisches Material zurückgreifen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Installation der Wasserversorgung von den Gemeinden mit privaten Firmen in Eigenregie durchgeführt wurde. Somit blieb bei der Darstellung eigentlich nur der gewählte Weg. Über seine Herangehensweise an das Thema schreibt der Autor selbst: „Die Geschichte der Wasserversorgung kann auch bei einem relativ kleinen Untersuchungsgebiet wie der Pfalz nur exemplarisch angelegt sein. Ein Blick in die Chroniken zeigt, wenig überraschend, dass die Einführung einer modernen Wasserversorgung vielerorts in gleichen oder ähnlichen Formen ablief. Hier kommt es darauf an, innerhalb der Pfalz lokale sowie regionale Besonderheiten herauszuarbeiten.“ Bei der Auswahl seiner Fallbeispiele beweist er Geschick: Neustadt als Vorreiter der zentralen Wasserversorgung, Landau als ehemalige Festungsstadt, aber auch die Nordpfälzer Städte Rockenhausen und Kirchheimbolanden. Auch bei den Dörfern erhellen Fallbeispiele die Charakteristika in der Bewältigung technischer Probleme; und die später verbreitete gemeinsame Wasserversorgung durch die „Wasserversorgungsgruppen“ vor allem in der Rheinebene unterstreichen den Ansatz der exemplarischen Aufarbeitung und die Verknüpfung mit einer Gesamtschau.
Nicht jede Stadt oder jedes Dorf wird vorgestellt, nicht jede Wasserversorgungsgruppe erhält ihre Würdigung! Aber in der Gesamtschau erhalten die Leserin und der Leser einen sehr guten Einblick in die Geschichte der Wasserversorgung in der Pfalz von den Anfängen in der Antike bis hin zum heutigen Tag. Da Harald Bruckert zudem ein ausgezeichneter Stilist ist, der es versteht, unterhaltsam, leicht lesbar und trotzdem wissenschaftlich korrekt zu schreiben, ist das Buch auch in Hinsicht auf den Lesegenuss genauso zu empfehlen wie in Hinblick auf den wissenschaftlichen Gehalt.
Rolf Übel, Rez. von Harald Bruckert, Vom Laufbrunnen zum Wasserwerk. Der Aufbau der Trinkwasserversorgung in der Pfalz im 19. und 20. Jahrhundert. Kaiserslautern 2022, URL: https://www.hist-verein-pfalz.de/de/rezensionen/7/wid,1110/rezensionen.html.
Erschienen in: Pfälzer Heimat 75,1 (2024).