Bürger, Adel, Geistlichkeit. Landau in der Vormoderne
(Forschungen zur Pfälzischen Landesgeschichte, Bd. 3)
Rezensent(in): Warmbrunn Paul
Erscheinungsjahr: 2023
Herausgeber: Andermann Kurt, Wien Ulrich
Erscheinungsort: Ubstadt-Weiher
Mit einer durchgreifenden Reichsreform, der Einführung der Reformation und der Entdeckung der Neuen Welt gehören die Jahre an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit um 1500 zu den spannendsten Umbruchzeiten der deutschen Geschichte. Für Landau bedeuteten sie einen neuen Aufbruch, erlangte die Reichsstadt 1511 durch die Auslösung aus der Verpfändung an das Hochstift Speyer doch ihre reichsstädtische Libertät zurück und schloss sich zehn Jahre später dem elsässischen Zehnstädtebund, der „Dekapolis“, an. Nur kurze Zeit darauf wurde Landau zum Konferenz- und Begegnungsort für rund 600 aus dem gesamten südwestdeutschen Raum angereiste Ritter, die sich am 13. August 1522 im „Haus zum Maulbeerbaum“ auf Einladung des berühmten Franz von Sickingen trafen und dort den Landauer Bund gründeten. Die 500jährige Wiederkehr dieses Ereignisses war für den Historischen Verein der Pfalz ein willkommener Anlass, auf Anregung und in Zusammenarbeit mit seiner rührigen Landauer Bezirksgruppe am 29. und 30. September 2022 seine wissenschaftliche Jahrestagung in Landau unter dem Titel „Begegnungsraum Stadt in der Vormoderne“ zu veranstalten und dabei die Geschehnisse auf dem Landauer Rittertag näher zu betrachten und in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
In rekordverdächtig kurzer Zeit können die Organisatoren und Leiter der Tagung, Kurt Andermann (Stutensee) und Ulrich Andreas Wien (Landau), die Ergebnisse in einem handlichen und ansprechenden, dabei inhaltlich hochkarätigen Band vorstellen. Er enthält die sechs auf der Tagung gehaltenen Vorträge nebst einer Zusammenfassung von Jörg Peltzer und ist durch ein Geographisches und Personenregister erschlossen.
Eingangs beschäftigt sich Martina Stercken mit der Topographie der Reichsstadt Landau anhand eines Vergleichs von deren frühester Beschreibung und graphischer Darstellung in gedruckten Städtebüchern, nämlich in Sebastian Münsters „Cosmographie“ von 1544 und der genau hundert Jahre später erschienenen „Topographia Alsatiae“ Matthäus Merians. Benjamin Müsegades lenkt den Blick auf die Innen- und Außenbeziehungen Landaus im Spätmittelalter, wobei das Verhältnis der Reichsstadt zum bischöflichen Pfandherrn von 1324-1511 sowie zu den wichtigsten geistlichen Institutionen in der Stadt, dem Steigerherrenkloster (seit 1483 Stift) und dem Kloster der Augustinereremiten, im Vordergrund stehen. Ausgehend von der Landau 1274 durch König Rudolf von Habsburg zusammen mit dem Hagenauer Stadtrecht verliehenen Marktfreiheit, stellt Gerhard Fouquet unter den Stichworten „Markt, Kaufhaus, Messe, Menschen“ die wirtschaftlichen Verflechtungen der Reichsstadt im Spätmittelalter und 16. Jahrhundert dar. Die Landauer Kaufmannsfamilie Boner weitete ihre Handelsbeziehungen bis nach Polen aus, wobei Hans Boner das Krakauer Bürgerrecht erwarb und zum Hoflieferanten und Bankier der polnischen Könige aufstieg. Im von Kurt Andermann verfassten zentralen Beitrag über die Bedeutung des Landauer Rittertags von 1522 ist der Text des nur als Druck (bei Heinrich Steiner in Augsburg) erhaltenen Landauer Bundesbriefs nach dem Exemplar im Stadtarchiv Landau vollständig fotografisch wiedergegeben (S. 70-76). Mit in der früheren Forschung gängigen Klischees wird dabei aufgeräumt: Der Landauer Ritterbund war weder „mächtig“ noch „demokratisch“, auch gibt es keine Hinweise auf Sympathien der teilnehmenden Ritter für die beginnende Reformation, und er diente auch nicht der Vorbereitung von Sickingens verhängnisvoller Fehde gegen das Trierer Erzstift. Er war vielmehr eine Friedenseinung, mit der die – in Bedrängnis geratene und oft nur als Unruhestifter wahrgenommene – Ritterschaft beweisen wollte, dass sie zur eigenständigen friedlichen Konfliktregelung ohne Einschaltung hegemonialer Gerichtsbarkeit – wie der fürstlichen Hofgerichte oder des 1495 errichteten Reichskammergerichts – in der Lage sei. Eike Wolgast beschäftigt sich intensiv mit Einführung und Durchsetzung der Reformation in Landau, deren Anfänge ebenfalls schon in das Jahr 1522 zurückreichen und die untrennbar mit der Person des Stadtpfarrers Johannes Bader (1487/88-1545) und dessen von Straßburg, insbesondere von Martin Bucer beeinflusster Theologie verbunden ist. Ausführlich dargestellt werden seine Sakramentenlehre, die Einflüsse von Kaspar Schwenckfelds Theologie im Spätwerk und seine Obrigkeitsauffassung. Baders Katechismen, insbesondere den von ihm verfassten ersten Katechismus in deutscher Sprache von 1526 (!), nimmt Athina Lexutt zum Ausgangspunkt, um den Beitrag der Bildung zur kulturellen Bedeutung der Reformation aufzuzeigen, wobei Bildung hier in einem sehr weiten Sinn verstanden wird: sie zeige sich in den Taten und geschehe weniger im Kopf als in Herz und Händen. Das reformatorische Bildungsprogramm sei eine „Erfolgsgeschichte“ und ließe sich für die von ihr für die Gegenwart, in der es um die Bildung schlecht bestellt sei, proklamierte Bildungsoffensive nutzbar machen.
Insgesamt ist so – weit über den eigentlichen Anlass, die Erinnerung an den Landauer Rittertag von 1522, hinaus – ein anschauliches und facettenreiches Bild einer bisher in der überregionalen Forschung vernachlässigten, ja weitgehend „vergessenen“ Reichsstadt in Spätmittelalter und 16. Jahrhundert entstanden, wobei ihre Brücken- und Vermittlungsfunktion zwischen der Vorderpfalz und dem Elsass nach der Pfandauslösung überzeugend dargestellt wird. Nach Tagungsbänden über Neustadt a. d. W. und Annweiler am Trifels (beide von 2021) erhält innerhalb kurzer Zeit mit Landau nun die dritte pfälzische Stadt einen kompakten Band zu ihrer Geschichte im Alten Reich auf neuestem Forschungsstand. Die Beiträge weisen ein hohes wissenschaftliches Niveau mit ausführlichen Quellen- und Literaturbelegen auf, sind aber auch für geschichtlich interessierte Laien gut lesbar. Hervorzuheben ist auch die reichhaltige und qualitativ hervorragende Bebilderung des Bandes.
Paul Warmbrunn, Rez. von Kurt Andermann und Ulrich A. Wien (Hg.), Begegnungsraum Stadt. Bürger, Adel, Geistlichkeit. Landau in der Vormoderne (Forschungen zur Pfälzischen Landesgeschichte, Bd. 3), Ubstadt-Weiher 2023, URL: https://www.hist-verein-pfalz.de/de/rezensionen/7/wid,1091/rezensionen.html.
Zuerst erschienen in: Pfälzer Heimat 75,2 (2024).