Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Reihe A: Pfälzische Geschichtsquellen, Bd. 18
Rezensent(in): Schunk Erich
Erscheinungsjahr: 2024
Autor(en): Imhoff Andreas
Erscheinungsort: Neustadt a.d. Weinstraße
Die Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung betrachtet vor allem auch die Erfassung, Sichtung und Veröffentlichung von pfälzischen Geschichtsquellen als wesentlichen Zweck ihrer Tätigkeit. Bereits zum dritten Mal hat sich Andreas Imhoff, Kreisarchivar für den Landkreis Südliche Weinstraße, dieser Aufgabe angenommen: nach der Bearbeitung der „Landauer Jakobinerprotokolle 1791-1794“ (gemeinsam mit Michael Martin) und der „Inspektionsreisen der pfälzischen Regierungspräsidenten 1830-1848/1867-1891“ jetzt mit der Edition von „Quellen zu Revolution und Krieg im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1789-1794“. Damit liegt nach den Quellenpublikationen für das Gebiet der Mainzer Republik und der französischen Festungsstadt Landau endlich auch für den Bereich der Reichslande ein umfangreiches Korpus einschlägiger Quellen zu den Auswirkungen der Französischen Revolution auf die Pfalz vor. Denn das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, das sich 1789 von der Herrschaft Rappoltstein im Elsass bis zum Oberamt Trarbach und Kastellaun an Mosel und im Hunsrück erstreckte, erlebte in seinen Gebieten nördlich der französischen Souveränitätsgrenze die Erschütterungen des großen Umbruchs ganz anders als Landau, das direkt in die Revolution involviert war, und auch anders als Mainz, das von den Franzosen und deutschen Jakobinern revolutioniert wurde.
Imhoff möchte mit seiner Aktenedition „die Beschäftigung mit einem nach wie vor faszinierenden Kapitel der pfälzischen Geschichte“ fördern, da einerseits der stete Rückgriff auf die durchaus stattliche Sekundärliteratur die Quote redundanter Darstellungen erhöht, die Erschließung neuen Archivmaterials andererseits jedoch oft daran scheitert, dass „mittlerweile die wenigsten Zeitgenossen die deutsche Kurrentschrift lesen und handgeschriebene französische Texte verstehen“ können (S. X). Absicht der vorliegenden Edition ist es mithin zu ermöglichen, die Thesen der Sekundärliteratur durch „eigenes Quellenstudium“ kritisch zu hinterfragen.
Zu diesem Zweck hat Imhoff aus dem pfalz-zweibrückischen Aktenbestand des Landesarchivs Speyer zwei Überlieferungsblöcke ausgewählt und insgesamt 860 Texte ediert. Zum einen handelt es sich vor allem um Berichte von herzoglichen Beamten, die zwischen 1789 und 1794 aus dem Oberamt Bergzabern über die dortigen Vorgänge informieren. Diese Bestandsnummern wurden in der pfalz-zweibrückischen Registratur unter dem übergreifenden Titel „Aufruhr in der Stadt und Oberamt Bergzabern“ abgelegt. Sie umfassen in der Imhoffschen Edition 293 Texte. Zum anderen werden 567 Texte, ebenfalls zumeist Beamtenberichte, aus den Oberämtern Zweibrücken, Homburg, Lichtenberg, Meisenheim sowie den Ämtern Allenbach und Nohfelden aus der Zeit zwischen April 1793 bis Dezember 1794 publiziert. Sie firmieren in der pfalz-zweibrückischen Registratur unter „Kriegsereignisse“ aus den Zeiten der Französischen Revolution.
Aus den Bezeichnungen der herrschaftlichen Aktenablage sind die inhaltlichen Schwerpunkte der beiden Überlieferungskonvolute zu ersehen: In Teil 1 geht es vor allem um die Unruhen im Oberamt Bergzabern, angefangen vom Sturm auf das Bergzaberner Rathaus im September 1789 über die Inkubationsphase des Aufstandes und der Sezession von zwölf Gemeinden, die dann im November 1792 stattfanden, und die Entwicklung dieser „besonderen Republick“ bis zu ihrem Anschluss an die große französische Republik im März 1793, dann weiter bis zur kurzzeitigen Rückeroberung Bergzaberns durch österreichische Truppen im Herbst 1793 und dem endgültigen Zusammenbruch der zweibrückischen Herrschaft nach dem erneuten Rückzug der alliierten Armeen. Teil 2 umfasst vor allem die militärischen Ereignisse im Westen des Herzogtums, beginnt dabei mit dem Vordringen der Preußen bis in die Gegend Homburg/Zweibrücken im Frühjahr 1793 und breitet dann ausführlich das Hin- und Herwogen des Kriegs- und Schlachtengeschehens im Westrich in den folgenden eineinhalb Jahren aus, um mit der letzten preußischen Offensive links des Rheins und deren Scheitern im Oktober/November 1794 zu enden. In Teil 1 dominiert das Bergzaberner Aufstandsgeschehen, die militärischen Vorgänge sind aber keineswegs ausgeblendet; in Teil 2 liegt genau umgekehrt der Schwerpunkt auf dem Kriegsgeschehen, die vielfältigen Auswirkungen auf die pfalz-zweibrückische Bevölkerung, deren Positionierung und Verhalten zwischen den Kriegsparteien nehmen jedoch ebenfalls breiten Raum ein.
Die Fülle der berichteten Vorgänge und Entwicklungen, der Informationen und Perspektiven ist immens. Durch die Erschütterung der alten politisch-gesellschaftlichen Ordnung und den permanenten Wechsel der militärischen Lage bildeten sich ständig neue Ereignisschichten und Konstellationen zwischen den Beteiligten: aufrührerische Untertanen gegen die Regierung und deren Amtsträger; „Patrioten“ gegen „Aristokraten“ innerhalb einer Gemeinde; Soldaten der Französischen Revolution und der gegenrevolutionären österreichisch-preußischen Armeen in ihrer gegenseitigen militärischen Konfrontation; gewaltsame Kontributionen beider Seiten bei der Not leidenden Bevölkerung; individuelle Schicksale im Zuge militärischer Übergriffe; unterschiedliche Entwicklungen einzelner Orte und Gemeinden je nach Gunst oder Ungunst der politisch-militärischen Situation.
Von den Bergzaberner Vorgängen ist bereits manches aus der einschlägigen Literatur bekannt. Umso verdienstvoller ist die Edition der Berichte aus dem Westrich, einem in der Regionalgeschichte – wie Roland Paul immer wieder moniert hat – oft etwas stiefmütterlich behandelten Bereich der pfälzischen Geschichte.
Drei Beispiele seien herausgegriffen: Am 4. August 1793 verfasste Regierungsrat Rheinwald einen ausführlichen „Bericht über die Zerstörung des herzoglichen Schlosses Carlsberg“, über das Beschaffen von 100 Wagen Stroh zur Brandbeschleunigung, die Plünderung durch die Franzosen „von morgens 8 bis abends 7 Uhr“, das Anzünden und die Ausbreitung des Feuers, dass abends „auf einmal alle Franken (verschwanden), und kaum graute der Tag, so fanden sich die Bauern sogar aus den entlegenen Orten der Oberämter Zweybrücken und Homburg ein und führten, was sie aus dem Schutt der Gebäude an Eisen und andern brauchbaren Sachen erwischen konnten, auf Wägen mit fort“ (Text 386). Wenige Tage später schilderten Mitglieder der Zweibrücker Stadtobrigkeit, dass ihre Einwohnerschaft „in Ansehung der politischen Meynung in drei Theile“ gespalten sei, in einen „vernünftigeren“, der seine wahren Ansichten situationsbedingt unterdrücke, und einen „unvernünftigeren Theil“, der wiederum in „sogenannte Patrioten und Aristokraten“ zerfalle. Die Eingabe endet mit Vorschlägen an die Regierung, wie diese sich gegen „Patrioten“ und „Aristokraten“ verhalten und deswegen auch bei der preußischen Generalität intervenieren solle (Text 401). Aus dem „Allgemeinen europäischen Journal“ sind in die Quellenedition auch zwei Augenzeugenberichte über die Niederbrennung Kusels am 26. Juli 1794, einen Tag vor dem Sturz Robespierres und dem Ende der Grande Terreur, übernommen. Sie werden ergänzt durch den Befehl, den der verantwortliche Repräsentant des Nationalkonvents Nicolas Hentz erteilte, ein aus Metz stammender Revolutionär, der sich zuvor schon bei Massakern in der Vendee einen Namen gemacht hatte (Texte 763f. u. 771).
In Teil 1 wie in Teil 2 der Edition sind die Quellen jeweils chronologisch angeordnet und durchnummeriert, Anlagen zu den Berichten sind direkt zugeordnet. Darüber hinaus hat Imhoff den Quellen einen Überblick zum Verlauf des Ersten Koalitionskriegs 1792-1794 sowie Informationen zum Herzogtum Pfalz-Zweibrücken und dem Oberamt Bergzabern vorangestellt. Zur besseren Orientierung sind auch eine grobe Zusammenfassung der edierten Texte sowie eine Chronik 1789-1794 für Pfalz-Zweibrücken und umliegende Territorien beigegeben. Hinzu kommen Kurzbiographien von zweibrückischen Beamten sowie französischen, österreichischen und preußischen Militärangehörigen, ein Personen- und ein Ortsregister sowie ein knappes Quellen- und ein umfangreiches Literaturverzeichnis.
Mit all diesen „Tools“ kann Imhoffs Quellenedition je nach Interessenlage vorzüglich erschlossen und genutzt werden. Vor allem Lokalhistoriker können problemlos sonst eher verstreute Nachrichten zu ihrem Ort zusammentragen. Aber auch wer überlokale Zusammenhänge untersuchen und darstellen möchte, findet in den genannten Hilfsmitteln ausgezeichnete Unterstützung und in den Quellen wertvolle Anregungen, wird aber wohl noch weitere Quellenbestände und die Fachliteratur zu Rate ziehen müssen.
Diesen Vorteilen stehen zumindest zwei Einschränkungen gegenüber: Zum einen die Tatsache, dass die Berichte ganz überwiegend von zweibrückischen Beamten verfasst wurden und deshalb stets quellenkritisch die Perspektive des Autors zu berücksichtigen ist. In welchem Maße eine Nichtberücksichtigung zu Fehlschlüssen verleiten kann, hat seinerzeit Eberhard Weis demonstriert, der die stark verharmlosenden Berichte seines Protagonisten Montgelas unbesehen übernommen und damit die überregionale Fachliteratur nachhaltig mitgeprägt hat.[1] Zum anderen stammen die Quellen aus zwei Teilgebieten und nicht aus dem gesamten Herzogtum Pfalz-Zweibrücken; ausgespart bleiben die zweibrückischen Besitzungen unter französischer Oberhoheit (Souveränitätslande), das Gebiet zwischen Annweiler und Zweibrücken sowie der Westrich bis zum April 1793.
Im Ganzen gesehen bietet die Imhoffsche Quellenedition vielfältiges und ausgezeichnet aufbereitetes Material für alle an Revolution und Krieg im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1789-1794 Interessierten. Auch wer keine „großen“ Linien ziehen möchte, stößt auf eine wahre Fundgrube an Mikrogeschichten, die zum Weiterdenken animieren – wie etwa jene kurze Nachricht vom Dezember 1789, dass „würklich in München drey Vagabunden arretirt worden seyn, welche das Tagebuch von dem Aufruhr zu Paris ins Teutsche übersetzt bey sich gehabt haben“ (Text 14).
Erich Schunk, Rez. von Andreas Imhoff (Bearbeiter), Quellen zu Revolution und Krieg im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1789-1794 (Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Reihe A: Pfälzische Geschichtsquellen, Bd. 18), Neustadt a.d. Weinstraße 2024, URL: https://www.hist-verein-pfalz.de/de/rezensionen/7/wid,1083/rezensionen.html
Erschienen in: Pfälzer Heimat 75,2 (2024)